Zu Gast bei deutschen Familien - Teil 1

Ein Interview über Erwartungen, Alltagsleben und Toleranz

Lisa und André haben über mehrere Jahre amerikanischen Studierenden ein Dach über dem Kopf geboten. Im Interview verraten die deutschen Gastgeber*innen, welche Erfahrungen sie im Rahmen des Parlamentarischen Patenschafts-Programms (PPP) gemacht haben. Das PPP ist ein gemeinsames Programm des Deutschen Bundestages und des United States Congress, das Stipendien für ein Austauschjahr an Schüler*innen, Studierende und junge Berufstätige vergibt. 

Was war Eure Motivation, eine/-n Studierende/-n aus den USA bei Euch aufzunehmen? Hattet Ihr Vorerfahrungen oder wart ihr mal in ähnlicher Situation?

André: Zu Beginn der Corona-Pandemie sind wir in unser neues Haus eingezogen und hatten im unteren Bereich ein Zimmer frei. Nachdem wir einen Aufruf gelesen hatten, dass das Carl Duisberg Centrum Gastfamilien sucht, setzten wir uns mit Ellen Awais (Leiterin des Carl Duisberg Centrums Saarbrücken) in Verbindung. Wir hatten in dieser Zeit ohnehin keine Reisepläne und mehr Raum als benötigt. Insofern wollten wir uns informieren, ob das Arrangement mit einer US-Studentin funktionieren würde. Ellen kam zeitnah bei uns vorbei und war dermaßen überzeugend, dass wir gleich nach dem Termin die Vereinbarung unterschrieben haben.

Lisa: Da Wohnraum ein knappes Gut ist, sehen wir das als soziales Engagement. Ich habe auch studiert und die Erfahrung gemacht, dass es schwierig ist, eine Bleibe zu finden, gerade als junger Mensch. 

Wir hatten keinerlei Vorerfahrung, auch nicht mit den Vereinigten Staaten, waren selbst nie in Amerika. Unser Englisch ist nicht perfekt, insofern hofften wir auf das Gastinteresse, möglichst viel Deutsch zu lernen. Alles in allem funktionierte die Kommunikation ziemlich gut.

Wie haben sich Eure Gäste in Euren Alltag integriert? Gab es hin und wieder auch Klärungsbedarf, was das Miteinander betrifft?

Lisa: Es gab hier und da immer mal wieder etwas zu klären. Missverständnisse, die sich aufgrund der Sprachbarriere ergeben haben, aber auch kulturell bedingte Unterschiede, die es galt zu kommunizieren. Wir sind mit Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit als Benimmregeln aufgewachsen. Uns wurde beigebracht, sich als Gast erst einmal anzupassen und gegenüber Gastgebern vorsichtig zu agieren. Im Gegensatz dazu, waren die Amerikaner*innen vom ersten Moment an super direkt und präsent. 

André: Zugegebenermaßen hatten wir auch keine Regeln festgelegt, wir wollten ausprobieren, ob sich das Miteinander von alleine einstellt. 

In Deutschland unterhalten sich mehr und mehr junge Leute viel über Politik. War das ein Thema, über das Ihr Euch intensiv ausgetauscht habt?

Lisa: Wenn es um Deutschland ging, gab es wenig Interesse an Tagespolitik. Es ging eher um Geschichte, im Speziellen um das Dritte Reich. Wenn es um die USA ging, wie zum Beispiel im Fall des Abtreibungsgesetzes in Texas, wollten unsere Gäste schon wissen, was wir darüber denken. Da ging es beim Abendbrot heiß her.

Hat sich bei solch hitzigen Diskussionen Euer Englisch verbessert?

Lisa: Für mich auf jeden Fall, du bist halt aufgefordert sofort loszulegen. Da fallen die Hemmungen ganz schnell. Der deutsche Sprachschatz war bei den Amerikaner*innen noch nicht sehr ausgeprägt, so dass wir darauf angewiesen waren, mit ihnen größtenteils auf Englisch zu kommunizieren. 

André: Vieles geht auch mit Händen und Füßen. Wir haben unseren Gästen aber schon abverlangt, mit uns Deutsch zu sprechen. 

Lisa: Bei Emine war das Interesse an der deutschen Sprache riesig, die hat auch richtig viele Hausaufgaben gemacht. Genauso bei Joshua, er hat auch abends am Esstisch gebüffelt. Sie wollten teilweise Deutsches Fernsehen mit uns schauen, kein Netflix mit amerikanischen Serien, sondern einfache Shows oder Reality TV. 

Abschließend betrachtet: Wem würdet Ihr eine Gastgeberschaft empfehlen? Auf was müssen sich Interessentinnen und Interessenten einstellen?

Lisa: Ich würde es grundsätzlich jedem empfehlen, der Lust darauf hat, sich mit amerikanischer Kultur auseinanderzusetzen. Die ist bunt, interessant, vielseitig. Wer noch keine Berührungspunkte mit dem Land hatte, so wie wir, dem kann ich es nur empfehlen, über diese Art einzutauchen. Es sollte halt jemand sein, der nicht zu streng in seiner Routine feststeckt, sondern der offen ist für Veränderungen, von seinem Tagesablauf auch mal abweichen kann. 

André: „Toleranz“ ist der Schlüsselbegriff. Ich fand es schön, mich aus meiner Komfortzone herauszubewegen, Eindrücke aus einem ganz anderen Land von Menschen in einem jüngeren Alter zu sammeln. 

In Teil 2 des Interviews sprechen Lisa und André über die Highlights ihrer Gastgeberschaft.

Weitere Eindrücke über die Zeit als Gastgeber*in für amerikanische Studierende erhalten Sie im Beitrag des Saarländischen Rundfunks.