Warum das Erlernen einer Fremdsprache uns leistungsfähiger und gesünder macht

Das menschliche Gehirn ist kein Muskel, und kann dennoch wie einer trainiert werden. Sowohl durch körperliche Aktivitäten als auch durch kognitive Herausforderungen, steigern wir unsere Leistungsfähigkeit und bewahren uns vor geistigem Abbau. So ist es kaum verwunderlich, dass auch das Erlernen einer neuen Sprache das Denkvermögen steigert und uns gesünder macht. Wie das funktioniert? Ein Blick ins menschliche Gehirn verrät es.

Steigerung des Wohlbefindens

Die Wissenschaft hat mittels bildgebender Verfahren gezeigt, wie sich das Erlernen einer Sprache im Gehirn auswirkt: Da Sprachinformationen hauptsächlich in der linken Gehirnhälfte verarbeitet werden, überlagern sich die Informationen genau dort. Die Gehirne mehrsprachiger Menschen können beim Abruf einzelner Vokabeln unterscheiden, welche Begriffe einer bestimmten Fremdsprache in einem Kontext gebraucht werden. Man kann sich das wie eine Ampel vorstellen, die einer Straßenseite das Weiterfahren erlaubt, während andere zum Anhalten gezwungen werden.

Das Erlernen einer Fremdsprache wirkt somit wie „Gehirnjogging“. Das Gehirnvolumen vergrößert sich bei zweisprachigen Menschen in jenen Bereichen, wo Sprachkompetenz gebildet wird. Dadurch wird das Arbeitsgedächtnis besser und es fällt leichter, zwischen Aufgaben zu wechseln und die eigene Aufmerksamkeit zu steuern. Diese Vorteile sind unabhängig davon, welche Sprache erlernt wird. Entscheidend ist: Je komplexer die Aufgaben, desto mehr trainieren wir unser Gehirn. 

Höhere Problemlösungsfähigkeit

Mehrsprachige Menschen entwickeln eine höhere Problemlösekompetenz. Da das Gehirn gewohnt ist, mit hohen kognitiven Herausforderungen umzugehen, besitzt es mehr Kompensationsmechanismen. Oder anders ausgedrückt: Verfügt man durch abnehmende Hirnfunktion nicht mehr über das geeignete Vokabular, schafft man es dank Fremdsprachenlernen besser zu improvisieren. Dieser Mechanismus greift allerdings nur, wenn beide Sprachen auf einem gleich hohen Niveau beherrscht werden.

Diese höhere Problemlösefähigkeit zeigt ihre positiven Effekte vor allem dann, wenn das Gehirn geschädigt ist: Eine Studie von 2017, die von einem Team des Krankenhause San Raffaele in Mailand durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass der Ausbruch von Alzheimer bis zu vier Jahre verzögert werden kann, wenn die Fitness eines Gehirns durch Fremdsprachen gesteigert worden ist. Die wurde in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

Höhere Reaktionsschnelligkeit

Diverse Studien mit verschiedenen Altersgruppen zeigen, dass jene Personen, die schon vor dem 5. Lebensjahr eine Zweitsprache erlernt haben, eine höhere visuelle und akustische Fähigkeit besitzen. Aber auch Personen, die eine zweite Sprache erst später lernen und beide Sprachen aktiv nutzen, profitieren durch das Erlernen einer Fremdsprache. Der Mensch reagiert auf visuelle Reize generell stärker als auf akustische, was sich auch auf das Erinnerungsvermögen auswirkt. 

Durch das Erlernen einer Fremdsprache steuern wir unsere Aufmerksamkeit und können das Gesehene besser verinnerlichen. Eine Untersuchung der Northwestern University in den USA aus dem Jahr 2023 zeigt, wie Mehrsprachigkeit das visuelle Erinnerungsvermögen verbessert und somit die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns steigert.

Gesteigerte Koordinationsfähigkeit

Bildgebende Verfahren zeigen bei deutschen Muttersprachler*innen eine besonders ausgeprägte Verschaltung im linken Gehirnareal. Das liegt an den Eigenheiten der Sprache: Eine überdurchschnittlich komplexe Grammatik und ein Satzbau, bei dem es Lücken zwischen sinnstiftenden Blöcken geben kann. Denn die Stellung vieler Wörter im deutschen Satz ist verglichen mit anderen Sprachen relativ frei wählbar, und selbst zusammengehörige Wörter können weit entfernt stehen. Das linke Sprachzentrum, auch Broca-Areal bezeichnet (benannt nach Paul Broca, französischer Anthropologe und Neurochirurg), spricht sehr leicht auf komplexe deutsche Satzstrukturen an und ermöglicht, weit entfernte abhängige Satzelemente gedanklich zu verbinden. 

Nimmt man dagegen die arabische Sprache als Maßstab neuronaler Verknüpfungen, zeigen bildgebende Verfahren eine höhere Dichte in der rechten Gehirnhälfte und eine größere Verschaltung zwischen beiden Hälften. Arabisch birgt ganz andere Herausforderungen beim Erlernen: Kurze Vokale werden oft nicht dargestellt und der Sprechende muss die Wissenslücke aus dem Kontext erschließen. So werden beim Erlernen beider Sprachen unterschiedliche Kompetenzen gefördert, was sich wiederum positiv auf Kreativität und Koordination auswirkt.

Bewahren Sie sich Flexibilität

Gönnen Sie sich regelmäßig Pausen, um neue Energie zu tanken. Und denken Sie immer daran: Jeder hat seine Hochs und Tiefs. Seien Sie nicht zu streng mit sich selbst, wenn Sie einmal einen Tag nichts lernen. Wenn Sie merken, dass Sie frustriert sind, ist es besser, sich eine kurze Auszeit zu nehmen und anschließend mit frischem Elan weiter zu lernen.

Wer zwei Sprachen spricht, hat nicht nur Vorteile bei der Kommunikation, sondern steigert auch seine Denkleistung. Das Erlernen einer Fremdsprache trainiert das Gehirn, steigert die Leistungsfähigkeit und stärkt langfristig die geistige Gesundheit.